Willkommen in Upost 30, Warrenzin, aka wenn „talk to each other, pretend it‘s 1995“ ein Ferienhaus wäre. Wir sind nach einigen Stunden Fahrt, zwei Vorbeifahrten an der vereinbarten Raststätte und vier McDonalds-Saucen für Chrissis Handtasche in der Pampa von Mecklenburg-Vorpommern gelandet. Und genau da wollten wir auch hin. Dass es kein WLAN und quasi keinen Empfang gibt, war dann eine Bonus-Überraschung.
Aber erstmal ein Personenverzeichnis:
Mirko – Urlaubsplaner, gute Seele des Hauses, Tiefschläfer, Wassermelonenmann, Sprungturmprofi
Chrissi – Mopped-enjoyer, Chefkoch, professioneller Eselstreichler, Insektenschützer, hat die besten Waden
Jonas – Filmexperte, Foto- und Videograf, nie schlecht gelaunt, neuerdings allergisch gegen Bremsen und/oder Mücken, Beifahrer extraordinaire
Max – Oberhaupt der Republik des Disco, Langduscher, Steuermann, die Ruhe in Person, hat immer den passenden Kommentar parat
Merle – Sonnenschein, Sterneguckerin, Lakritzliebhaberin, niest nie gleich, strickt beim Filmeschauen
Kerstin – wenn ihr mich nicht kennt, warum seid ihr dann hier?
Upost – ca. 100 Einwohner, mindestens einer davon scheint Windkraft-Gegner zu sein, ansonsten wirklich schön
die Esel – wir haben keine Ahnung, wie sie heißen
die Vögel – unglaublich viele, überall
Am ersten Abend haben wir kurz unsere Nachbarn besucht: Zwei sehr süße Esel, die auch zum Zaun kamen, aber insgesamt doch recht uninteressiert an uns waren. Dann haben wir UNO gespielt und es sind ein paar Feindschaften entstanden. Ansonsten kann ich mich an den ersten Abend ehrlich gesagt gar nicht mehr so gut erinnern. Müdigkeitsbedingt, nicht alkoholbedingt.
Am ersten richtigen Tag in Upost (Sonntag) haben wir die backroads der Bundesrepublik zu den Ivenacker Eichen genommen. Beim Eintritt von ermäßigten 9€ pro Person in den dazugehörigen Tierpark mussten wir kurz schlucken, aber rückblickend haben die sich mehr als gelohnt. An dieser Stelle geht ein Dank raus an Prof. Dr. Jürgen Schnack, der die Masterarbeit von Max betreut und sich mit seinen Reisetipps als ungemeine Bereicherung für diesen Urlaub herausgestellt hat.
Die älteste Eiche in diesem Park ist mit ca. 1000 Jahren laut Aushang auch die älteste Eiche Europas. Sie haben anscheinend sogar mal gebohrt, um die Jahresringe zu zählen, aber der Baum ist innen hohl und so war das nur bedingt zielführend. Nette Tiere hatten sie im Tierpark auch, außerdem eine Ausstellung über Jagen in der DDR mit dem most fucked up Mückensound, den ihr je gehört habt.
Abends haben wir Top Gun: Maverick geschaut. Dieser Film, den Jonas und ich eigentlich als crowd pleaser einordnen würden, rief doch sehr gemischte Gefühle bei seinen Zuschauern hervor. Aber schließlich konnten wir uns auf WHAT THE FUCK IS A KILOMETER AMERICA RAAAAAAAH einigen. Und sind dann noch Sterne gucken gegangen.
Unsere Beschäftigung für Tag 2 (Montag) war ein Tagesausflug nach Rostock (Fazit: nett da). Am Hafen gibt es zwei Kräne, die laut einer Google-Rezension wohl eine ganz besondere atmosphärische Wirkung haben sollen. Eigentlich waren sie aber nur so semibeeindruckend und hatten einen sehr ausgeblichenen Farbanstrich. Viel cooler anzusehen war das Schiff „Stephan Jantzen“ einige Meter weiter. Die Stephan Jantzen ist der stärkste Eisbrecher in Deutschland. Sie wurde in den 1960ern gebaut und im Jahr 2018 von der Stadt Rostock ersteigert. Allerdings haben sie damals wohl nicht ganz bedacht, dass es mittlerweile sowohl neuere Eisbrecher als auch gar nicht mehr so viel zugefrorene Gewässer in diesem Land gibt. Deshalb kann man das Schiff jetzt besichtigen (haben wir aber nicht).
Gegenüber vom Hafen gab es drei Kanonen auf einem Hügel. Die waren super. Und in der Stadt haben wir eine evangelische Kirche gesehen, die so unfassbar katholisch aussah, dass ich immer noch nicht drüber hinweg bin. Auf dem Rückweg zum Parkhaus mit Postkarten und Lakritz im Gepäck gab es dann noch die ultimative Nascherei, die uns auf einem Schild als „DDR-Softeis“ angepriesen wurde. Das muss man natürlich testen. Tatsächlich ist das dort verwendete Rezept wohl schon entsprechend alt und hat das möglicherweise leckerste Softeis produziert, das ich je gegessen habe.
Zurück in Upost gab es endlich einen Film mit Niveau: Sharktopus. War gut, hat Spaß gemacht. Genaueres könnt ihr bei Mirko erfragen oder bei Jonas in der Letterboxd-Review lesen. Dann mussten wir noch 100 Frauen aufzählen, was erschreckend lange gedauert hat. Aber, so viel kann ich verraten, es scheint tatsächlich mindestens 100 Frauen auf diesem Planeten zu geben.
Am Dienstag war es heiß. Wir sind morgens erstmal zur Peene (ja, haha, ich weiß) gelaufen, um einen potenziellen Ort zum Kanufahren zu erkunden. Hatte ich schon erwähnt, dass es bei unserem Ferienhaus Kanus und Kajaks für uns gab? Nach dem Frühstücken haben wir die Entdeckung des Jahrtausends gemacht, die in Form des Badesees in Dargun („Klostersee“) daherkommt. Und ab da waren wir an jedem Tag entweder in oder an diesem See.
Abends haben wir The Mummy geschaut – ein Film, der uns, glaube ich, alle positiv überrascht hat. Und dann wurden 100 Männer aufgezählt. Das ging bei jedem mindestens doppelt so schnell wie bei den Frauen am Vorabend, andererseits war es auch noch früher und wir hatten noch keinen Tequila getrunken.
Apropos Tequila: Mirko hat am Mittwoch eine gelinde gesagt spannende Rezeptidee umgesetzt und Wassermelonen-Jelloshots gemacht. Die sahen cool aus, sind aber in puncto Konsistenz und Geschmack noch verbesserungsbedürftig.
Im Supermarkt gab es Dominosteine und Lebkuchen (Spekulatius hatten wir ja sowieso schon den ganzen Urlaub lang vernichtet), im Nebenort gab es noch eine von den komischen katholisch aussehenden und evangelisch seienden Kirchen. Die Evangelische Kirche Sankt Bartholomaei zu Demmin ist für ein 10.000-Einwohner-Dorf viel zu groß und schön, aber wir gönnen den Leuten hier das.
Es ist Donnerstag! Wir stehen früh auf (und beschweren uns drüber), weil wir auf der Peene paddeln wollen! Wir haben Schlafmangel, weil wir gestern noch Sterne gucken mussten! Aber ernsthaft, das war super (sowohl Paddeln als auch Sternegucken, aber hier meine ich das Paddeln). Wir haben uns überraschend kompetent angestellt, niemand ist unfreiwillig baden gegangen und wir haben mehr andere Fahrzeuge auf diesem Fluss getroffen als während der gesamten Zeit hier auf den Straßen von Upost.
Dann wurde frisches Brot vom Hofladen geholt, weil wir abends über der Feuerstelle im Garten grillen wollten. Außerdem sind wir durch einen Irrgarten an unserem Badesee geirrt und wurden mit einem netten Häuschen und zwei Bäumen in der Mitte belohnt. Nach diesem Tag mit viel Sonne hat uns Grillmeister Mirko mit Gegrillmeistertem versorgt. Am Lagerfeuer wurden mit variierendem Erfolg Marshmallows geröstet, und dann haben wir noch Mamma Mia geschaut.
Es ist Freitag! Um Punkt 8:40 heult mehrmals eine ohrenbetäubende Sirene durch das Dorf! (Fast) alle sind wach. Wir einigen uns darauf, dass es wohl nur ein Fehlalarm war, weil niemand bei klarem Verstand einen Probealarm für diese Uhrzeit planen würde.
Unseren letzten Tag haben wir größtenteils im Garten und am Badesee verbracht. Aber dazwischen gab es auch noch einen Besuch bei der Schloss-/Klosterruine in Dargun, wo wir eigentlich nur waren, weil es da einen süßen Klosterladen geben sollte. Und der hat unsere Erwartungen dann auch absolut übertroffen – Glücksgriff Nummer 1 des Tages. Alkohol aus der eigenen Brennerei, Marmeladen, Essige, Keramik, Schmuck und eine Menge mehr aus der Umgebung konnte man da kaufen (und glaubt mir, wir haben auch gekauft). Der Verkäufer hat mit uns sicherlich ein ganz gutes Geschäft gemacht, aber dafür durften wir auch einige Dinge probieren und haben uns gut unterhalten.
Ein zweiter Glücksgriff war das Café am Bahnhof in Dargun (wo sie sogar Hafermilch hatten – keine Selbstverständlichkeit in dieser Region). Dort haben wir unsere koffeinhaltigen Getränke und Fruchtschorlen sowie sehr, sehr gute hausgemachte Kuchen zu uns genommen (Aprikose-Lavendel-Streuselkuchen, Himbeer-Sahnetorte, Mohn-Käsekuchen und Baileys-Gugelhupf (Wolltet ihr das so genau wissen? Nein? Zu spät.)).
Und weil aller guten Dinge mehr als zwei sind (oder so), wurde unser abendlicher Restaurantbesuch dann zum dritten Glücksgriff des Tages. Darf ich vorstellen: Die Brasserie Märchengarten. Klingt kitschig, war aber geil. Nachdem man mich am Telefon unterschwellig etwas verurteilt hat, weil ich nachgefragt habe, ob es auch wirklich vegane Gerichte dort gibt, haben wir alle sehr gutes Essen und sehr netten Service bekommen. Die Aussicht draußen war so schön, dass wir wie der Durchschnitts-Ü50er bei jeder Gesprächspause erwähnen mussten, wie schön die Aussicht ist.
Schon wieder Samstag. Es fühlt sich wie eine kleine Ewigkeit an, seit wir hier vor einer Woche angekommen sind. Um 7:00 Aufstehen, um 9:00 Uhr Abreise – gottlose Uhrzeiten, aber wenigstens noch angenehm kühl draußen. Wir fegen und bringen den Müll raus. Wir lassen den Keller Keller sein, er wird ein ungelöstes Rätsel bleiben. Wir verabschieden uns von den Eseln. Maybe the real treasure was the donkeys we met along the way. Ein bisschen (sehr) vermisse ich meine Mitreisenden jetzt schon. In diesem Sinne: Bis zum nächsten Jahr.
Bonusmaterial:
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